Urteil Nr. 1829/2006 Areopag (Oberster Gerichtshof Griechenlands)

Zu hohe Prozeßkosten könnten einen Verstoß gegen die griechische öffentliche Ordnung darstellen. Urteil Nr. 1829/2006 Areopag (Oberster Gerichtshof Griechenlands) 4. Zivilsenat.

 

Die Europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (44/2001) sieht es als einen der wenigen Gründen vor, wonach ein Mitgliedstaat bzw. seine Gerichte die Vollstreckbarerklärung von Urteilen anderer Mitgliedstaaten verweigern dürfen, wenn die Vollstreckung des ausländischen Urteils in einem Mitgliedstaat einen Verstoß gegen die nationale öffentliche Ordnung des Empfangsstaates darstellt.

Man fragt sich, unter welchen Umständen zwischen EU-Staaten derartige soziale, politische oder rechtliche Unterschiede bestehen könnten, welche ggf. dazu führen, daß ein Urteil des einen Staates gegen die öffentliche Ordnung des anderen verstoßen kann. Insoweit ist das Urteil Nr. 1829/2006 des Areopags (Oberster Gerichtshof Griechenlands) interessant.

Der Areopag hat mit seiner Entscheidung Nr. 1829/2006 das Urteil des Berufungsgerichts bestätigt, wodurch in der Vollstreckung eines britischen Urteils in Griechenland ein Verstoß gegen die griechische öffentliche Ordnung erkannt wurde. Es handelt sich um einen Kostenfestsetzungsbeschluß.

Das britische Gericht hat den gesamten eingeklagten Betrag in Höhe von 65.508 £ samt Zinsen, insgesamt 81.944,59 £ stattgegeben. Dieser Betrag wurde auch vom griechischen Beklagten bezahlt, ohne daß das Urteil in Griechenland für vollstreckbar erklärt werden mußte. Anschließend erfolgte ein Kostenfestsetzungsbeschluß des britischen Gerichts, welcher den Beklagten in die Prozeßkosten in Höhe von 87.191,68 £ verurteilt hat. Also um 5.247,09 £ mehr als die Hauptforderung samt Zinsen oder 21.683,68 £ mehr als der eingeklagte Betrag. Es sollte berücksichtigt werden, daß die Hauptforderung im vollen Umfang, nicht zum Teil, vom britischen Gericht stattgegeben wurde.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil vom Obersten Gerichtshof aufrechterhalten ist, hatte eine Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs (griechische) „öffentliche Ordnung“ vorgenommen. Die öffentliche Ordnung werde von den grundlegenden politischen, moralischen, sozialen, rechtlichen oder wirtschaftlichen im Lande herrschenden Auffassungen gebildet.

Im vorliegenden Fall wurde eine offensichtliche Unverhältnismäßigkeit zwischen dem Gegenstandswert (65.608 £) und den festgesetzten Prozeßkosten (87.191,68 £) festgestellt. Diese Unverhältnismäßigkeit stelle einen Verstoß gegen die griechische öffentliche Ordnung dar.

Ebenso werde der Zugang zur Justiz durch derart hohe Kosten für den griechischen Bürger erschwert oder sogar unmöglich gemacht. Zur Begründung werden vom Gericht Artikel 5 und 25 der griechischen Verfassung sowie Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonversion herangezogen.