Urteil des Europäischen Gerichtshofs C 565/16

Mit seinem Urteil C-565/16 hat der Europäische Gerichtshof in einer Sache betreffend die Erteilung durch das Vormundschaftsgericht der Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft eines Minderjährigen erkannt, dass das Nachlassgericht unter Umständen auch als Vormundschaftsgericht tätig werden kann.Das Nachlassgericht (Griechenland) hat unter Umständen die internationale Zuständigkeit, in Anwendung vom nationalen Recht die Genehmigung zu erteilen, damit ein Minderjährige wirksam die Erbschaft ausschlagen kann, auch wenn dieser Minderjährige seinen gewöhnlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.

In Anwendung (und Auslegung) kommt die EU Verordnung unter der Nummer 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und im Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung.

Danach sind in Sachen betreffend die elterliche Verantwortung grundsätzlich die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, wo der Minderjährige seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat. Die Eltern des Minderjährigen, italienischer und griechischer Abstammung, hatten ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Italien. Der Minderjährige hat seinen Großvater in Griechenland geerbt, nachdem der griechische Elternteil die Erbschaft ausgeschlagen hat. Die Eltern haben gemeinsam beim Nachlassgericht in Griechenland den Antrag gestellt, um die Genehmigung des Gerichts zur Ausschlagung der Erbschaft durch den Minderjährigen bekommen.

Vorerst hat das Gericht erkannt, dass die Erteilung der Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft vom Vormundschaftsgericht nicht unter dem Begriff der erbrechtlichen Angelegenheit im Sinne des Artikels 1 Abs. 3 f) fällt, welche von der Anwendung der Verordnung ausgenommen wird. Dagegen ist diese Genehmigung eine unmittelbare Folge des Personenstandes und der Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit des Minderjährigen und stellt eine Maßnahme zum Schutz des Minderjährigen dar.

Die Verordnung 2201/2003 sieht im Artikel 12 Abs. 3 die Möglichkeit vor, dass die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats als des gewöhnlichen Aufenthaltes des Minderjährigen zuständig sein können, wenn alle Parteien des Verfahrens diese Zuständigkeit anerkannt haben und diese Zuständigkeit im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht.

Das Gericht hat in die gemeinsame Antragsstellung durch beide Eltern eine ausdrückliche Anerkennung der Zuständigkeit des angerufenen griechischen Gerichts angesehen. Ebenso die Nichtbeanstandung dieser internationalen Zuständigkeit von der Seite des Staatsanwaltes, welcher an den Prozess als Partei zum Schutz der Allgemeinheit, im vorliegenden Fall zum Schutz der Interessen des Minderjährigen, teilnimmt, stellt für das Gericht eine eindeutige Annahme der Zuständigkeit dar.

Im vorliegenden Fall lag die auszuschlagende Erbschaft in Griechenland. Es wäre einfacher, schneller und billiger für das Nachlassgericht gewesen, die Nachlassverbindlichekeiten zu überprüfen und gegebenenfalls die Genehmigung zur Ausschlagung zu erteilen. Man darf also davon ausgehen, dass die Vereinbarung der Zuständigkeit des Nachlassgerichts dem Schutz der Interessen des Minderjährigen dient.