Europäische Erbrechtsverordnung

Europäische Verordnung über erbrechtliche Angelegenheiten

 

Im August 2015 ist die Verordnung Nummer 650/2012 der Europäischen Union in Kraft getreten. Damit werden die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten in erbrechtlichen Angelegenheiten sowie das anzuwendende Recht in solchen Angelegenheiten geregelt. Ebenso werden die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen und öffentlichen Urkunden in erbrechtlichen Angelegenheiten sowie der Erlass eines europäischen Erbscheins geregelt.

Nach Angaben der Kommission übersteigt der Wert der jährlich im Wege der grenzübergreifenden Erbfolge erfolgenden Vermögensverschiebungen 120 Milliarden Euro. Nicht unwichtige Änderungen treten damit im griechischen Erbrecht ein in Bezug auf das Verfahren.

Das griechische internationale Privatrecht sieht bislang die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt an, wonach das anzuwendende Recht in einer erbrechtlichen Angelegenheit bestimmt wird. Der Erblasser wird beerbt nach dem Recht des Staates, dessen Staatsangehöriger er war, unabhängig davon, wo der Erblasser oder die Erben im Zeitpunkt des Todes ihren Wohnsitz hatten oder wo das zu vererbende Vermögen war. So sieht es auch das deutsche Recht vor.

Die neue Verordnung bestimmt, dass nicht mehr die Staatsangehörigkeit, sondern der sogenannte „gewöhnliche Aufenthalt“ für das anzuwendende Recht in einer Erbangelegenheit maßgebend ist. Diese Änderung betrifft eine Vielzahl von EU Bürgern, insbesondere im deutsch-griechischen Rechtsverkehr. Viele in Deutschland ansässige Griechen haben Grundvermögen in Griechenland. Derzeit richtet sich die Erbfolge in solchen Fällen nach dem griechischen Recht. Nach Inkrafttreten der Verordnung 650/2012 am 17.08.2015 wird es das deutsche Recht sein. Aber auch in Griechenland leben in der letzten Zeit nicht wenige Deutschen, besonders Rentner, welche Vermögen in Deutschland haben.

Der Europäische Gesetzgeber schafft auf diese Art eine gewisse Einheitlichkeit in den verschiedenen internationalprivatrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten. Noch wichtiger bei der Regelung ist aber, dass Behörden und Gerichte, welche sich mit einer Erbangelegenheit befassen, meistens die des Landes des gewöhnlichen Aufenthaltes im Zeitpunkt des Eintritts der Erbfolge (des Todes) sind. Sie haben dann nach der neuen Verordnung das eigene nationale Erbrecht anzuwenden, nicht das eines anderen Mitgliedstaates, was bislang noch Kosten und Verzögerungen zur Folge hat.

Ein Grieche mit festem Wohnsitz in Deutschland darf nicht mehr davon ausgehen, dass seine Erbfolge den Vorschriften des griechischen Rechts folgt. Ebenso wird ein Deutscher, welcher in Griechenland lebt, nicht nach deutschem, sondern nach griechischen Recht beerbt.

Der Europäische Gesetzgeber bietet jedoch eine Rechtswahlmöglichkeit. Der Erblasser kann entscheiden, dass er nach dem Recht des Staates beerbt wird, dessen Staatsangehörigkeit er hat. Diese Rechtswahl wird im Rahmen einer Erklärung vom Todes wegen abgegeben (Testament). Es handelt sich dabei um eine sehr beschränkte Rechtswahlmöglichkeit. Man kann entscheiden, dass seine Erbfolge nicht dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern dem Recht des Staates der eigenen Staatsagehörigkeit unterliegt. Ein Deutscher mit gewöhnlichen Aufenthalt in Griechenland kann nur das deutsche Recht als anzuwendendes Recht wählen, nicht dagegen das Recht eines dritten Staates (es sei denn, er hat mehrere Staatsangehörigkeiten). Für eine Person, welche über mehrere Staatsangehörigkeiten verfügt, erstreckt sich diese Rechtswahlmöglichkeit auf die Rechtsordnungen aller dieser Staaten.

In Bezug auf die internationale Zuständigkeit der Gerichte vergibt die neue Verordnung Zuständigkeit an die Gerichte des gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers. Dieses Gericht ist international zuständig für jede Angelegenheit, welche im Zusammenhang mit der Erbfolge steht. Dies gilt sowohl für ein streitiges Verfahren als auch für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, und zwar unabhängig von dem Staat, in dessen Territorium sich Vermögen des Erblassers befindet.

Wenn der Erblasser Gebrauch von seiner Rechtswahlmöglichkeit macht und die Anwendung des Rechts des Staates anordnet, dessen Staatsangehörigkeit er hat, können die Erben bzw. die Beteiligten einer Rechtsstreitigkeit schriftlich vereinbaren, dass auch die Gerichte dieses Staates international zuständig sind. Wenn zum Beispiel ein griechischer Erblasser mit gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland mit seinem Testament anordnet, dass griechisches Recht gelten soll, können seine Erben schriftlich vereinbaren, dass die griechischen Gerichte zuständig sind. Sie dürfen allerdings nicht vereinbaren, dass die Gerichte eines anderen Mitgliedstaates zuständig sein sollen.

 

Europäischer Erbschein

 

Die neue Verordnung sieht auch einen europäische Erbschein vor. Im Prinzip unterscheidet sich der europäische Erbschein nicht besonders von dem derzeitigen Erbschein, so wie ihn das griechische oder deutsche Recht kennen. Es handelt sich um eine öffentliche Urkunde, welche die Erben und den Erbteil eines Erben bezeugt und mit öffentlichem Glauben versieht. Der europäische Erbschein wird von den Gerichten und Behörden des Staates auf Antrag des Berechtigten (Erben, Testamentsvollstrecker usw.) erlassen, welche nach den Maßgaben dieser Verordnung international zuständig sind. Dies sind grundsätzlich die Gerichte des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Erblassers.

Der Antrag auf Erlass des europäischen Erbscheins kann unter Anwendung eines vorgefertigten, einheitlichen und beil allen Sprachen verfügbaren Formulars gestellt werden. Sobald der europäische Erbschein von der zuständigen Stelle erlassen worden ist, erteilt diese Stelle (in Griechenland und in Deutschland wird es das Amtsgericht sein bzw. in Teilen Deutschlands das Notariat) beglaubigte Kopien des Erbscheins auf Antrag eines jeden Berechtigten, welcher für die Dauer von 6 Monaten gültig ist. Nach Ablauf dieser Frist muss man erneut Antrag auf die Erteilung einer beglaubigten Kopie des Erbscheins stellen. Auf diese Art werden mögliche Änderungen betreffend den Inhalt des Erbscheins (neue Erben, Änderung der Erbteile, Beendigung des Dienstes eines Testamentsvollstreckers usw.) in die Urkunde aufgenommen, so dass der Erbschein möglichst auf dem aktuellsten Stand ist. Der europäische Erbschein gilt dann in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Empfehlungen

 

Bürger der Europäischen Union, welche im europäischen Ausland wohnen, sollen bei der Planung ihrer Erbfolge die neue Verordnung berücksichtigen. Sie werden nicht mehr nach dem Recht ihres Herkunftsstaates, sondern nach dem Recht des Staates, in dem sie wohnen, beerbt. Dabei ergeben sich Änderungen in der Erbfolge. So sieht das griechische Erbrecht bei der gesetzlichen Erbfolge (wenn kein Testament errichtet worden ist) vor, dass der Ehegatte ¼ des Erbes bekommt, den Rest teilen sich die Kinder, dagegen ist der Anteil des Ehegatten nach dem deutschen Erbrecht neben Kindern ½. Nach dem gesetzlichen Erbteil wird auch der Pflichtteil berechnet, für den Fall, dass der Erblasser ein Testament mit Enterbungsanordnungen hinterlassen hat.

Jemand, der von der neuen EU Verordnung betroffen ist, das heißt dessen Aufenthaltsstaat und der Staat, dessen Staatsangehörigkeit er hat, nicht identisch sind, sollte sich überlegen und sich diesbezüglich beraten lassen, ob er bei der Errichtung eines Testamentes die von der neuen Verordnung vorgesehene Rechtswahl zugunsten des Rechts seines Herkunftsstaates trifft. Hat man schon ein Testament errichtet, sollte man sich überlegen, ob man sein Testament dahin ändert, dass man die vorgesehene Rechtswahl trifft.