Der Prozeß vor den griechischen Zivilgerichten

Einleitung

 

Vorliegender Beitrag ist eine kurze, übersichtliche Darstellung des Verlaufs eines erstinstanzlichen Prozesses vor den griechischen Zivilgerichten, unter Berücksichtigung der gründlichen Gesetzesänderungen, welche erst im Jahr 2016 in Kraft getreten sind. Rechtsstreitigkeiten, welche vor Inkrafttreten der aktuellen Reformen in Gang gesetzt worden sind, wurden nach den bis Ende 2015 geltenden Vorschriften weiter verhandelt.

 

Die schon früher geltende Unterteilung der Prozessordnung in 8 Büchern ist unberührt geblieben.

1. Buch: Allgemeine Vorschriften

2. Buch: Verfahren vor den erstinstanzlichen Gerichten,

3. Buch: Rechtsmittel und Einsprüche

4. Buch: Besondere Verfahrensarten

5. Buch: Einstweiliger Rechtsschutz

6. Buch: Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit

7. Buch: Schiedsverfahren

8. Buch: Zwangsvollstreckung

 

Die erste Instanz teilt sich zwischen Amtsgericht (Irinodikio) und Landgericht (Protodikio)

Sachliche Zuständigkeit

 

Soweit die sachliche Zuständigkeit sich nach dem Streitwert richtet, sind die Amtsgerichte zuständig, wenn der Wert des Rechtsstreits 20.000 Euro nicht überschreitet. Beim Landgericht unterscheidet man zwischen Einzelrichter (Monomeles Protodikio = eingliedriges Landgericht) und Kammer (Polimeles Protodikio = mehrgliedriges Landgericht) wobei der Gesetzgeber die Zuständigkeiten zwischen Einzelrichter und Kammer strikt verteilt. Dem Streitwert nach ist der Einzelrichter bei Beträgen zwischen 20.001 und 250.000 Euro zuständig, Streitwerte über dieser Grenze unterliegen den Kammern. Darüber hinaus werden ausschließliche, streitwertunabhängige Zuständigkeiten für das Amtgericht (Art. 15 gr. ZPO) und den Einzelrichter beim Landgericht (Art. 16 gr. ZPO) bestimmt.

Der Einzelrichter des Landgerichts entscheidet auch über Berufungen gegen Urteile der Amtsrichter.

Vor den Amtrichtern werden auch die sogenannten "kleinen Sachen" entschieden, wenn der Streitwert 5.000 Euro nicht übersreitet. Es wird ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen (Art. 466-472 gr. ZPO). Die darauf erlassenen Urteile können mit Berufung nicht angegriffen werden (Berufungssumme).

 

Örtliche Zuständigkeit

 

Auch nach der griechischen Zivilprozessordnung richtet sich der allgemeine Gerichtsstand nach dem Wohnsitz des Beklagten, Art. 22 gr. ZPO, wobei mehrere Ausnahmen vorgesehen sind, entweder in Form des ausschließlichen Gerichtsstandes (z.B. Gerichtsstand der Grundstückslage, wenn das Grundstück den Gegenstand des Rechtsstreits ausmacht, Gerichtsstand der Erbschaft) oder in Form des alternativen Gerichtsstandes (z.B. Gerichtsstand des Abschlusses des Vertrags oder des Erfüllungsortes, Gerichtsstand der unerlaubten Handlung). Insoweit bestehen kaum Änderungen zu der deutschen Zivilprozessordnung.

Verfahren

 

Die griechische ZPO unterscheidet zwischen ordentlichem Verfahren und besonderen Verfahrensarten. Das war der Fall sowohl in der alten Version als auch in der neuen, welche seit dem 01.01.2016 gilt. Dem ordentlichen Verfahren werden alle Sachen unterstellt, welche nicht ausdrücklich einer besonderen Verfahrensart unterliegen.

Der Gesetzgeber hat mit der ZPO-Novelierung die besonderen Verfahrensarten in drei Gruppen konzentriert:

Familiensachen, wobei darunter sowohl die Ehestreitigkeiten als auch die Beziehungen zwischen Kindern und Eltern mitumfaßt werden (Scheidung, Unterhalt, Vaterschaftsanerkennung).
Bestimmte Vermögensstreitigkeiten, Ansprüche aus Honorar, Autounfall, Mietstreitigkeiten, Schuldtitelverfahren, arbeitsrechtliche Streitigkeiten.
Zahlungsbefehl (entspricht dem deutschen Mahnbescheid). Neu in diesem Verfahren ist, dass ein Zahlungsbefehl auch gegen Personen ohne festen Wohnsitz in Griechenland erlassen werden können. Hier wird auch der Räumungsbefehl geregelt.

 

Klageerhebung – Zustellung

 

Die Rechtshängigkeit wird erst durch die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten erreicht.

Die Klageschrift wird dem Sekretär des zuständigen Gerichts eingereicht. Die Einreichung der Klageschrift durch die Post oder per Faxgerät kommt nicht in Betracht.

Die Zustellung erfolgt auf Initiative und Kosten der Parteien. Der Kläger beauftragt mit dieser Aufgabe einen Gerichtsvollzieher, der beim Wohnsitz des Zustellungsempfängers zugelassen ist. Der Gerichtsvollzieher verfasst eine Zustellungsurkunde, die vom Kläger dem Gericht vorgelegt werden muss. Die Zustellung der Klageschrift erfolgt im Rahmen der EU Verordnung 1393/2007 über die Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken. Die Zustellung im Ausland außerhalb der Europäischen Union erfolgt grundsätzlich über die Staatsanwaltschaft.

In Bezug auf die Bestimmung des Verhandlungstermins sowie auf die Zustellungsfristen unterscheidet die neue Prozessordnung zwischen dem ordentlichen Verfahren und den besonderen Verfahrensarten.

 

Ordentliches Verfahren

 

Bei Einreichung der Klageschrift wird kein Verhandlungstermin anberaumt (das war bis Ende 2015 der Fall und gilt immer noch für die besonderen Verfahrensarten). Die Klageschrift soll innerhalb von 30 Tagen seit Einreichung der Klageschrift beim Gericht an den Beklagten auf Kosten und Initiative des Klägers zugestellt werden (diese Frist wird auf 60 Tagen erhöht, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Ausland hat oder keinen bekannten Wohnsitz hat).

Die Prozessparteien haben eine First von 100 Tagen seit Einreichung der Klageschrift, innerhalb derer sie schriftliche Stellungnahme (Erwiderung, Gegenerwiderung usw.) sowie sämtliche schriftliche Beweismittel beim Gericht vorzulegen haben. Wenn dieser Schriftsatz samt Beweismittel von keiner der Parteien rechtzeitig vorgelegt wird, wird die Sache nicht aufgerufen. Jede Partei hat eine 60tägige Frist, die Klage mit gesonderten Antrag beim Gericht erneut rechtshängig zu machen. Nach dieser Frist gilt die Klage als überhaupt nicht erhoben. Weitere 15 Tagen nach Ablauf der 100tägigen Frist werden vom Gesetz anberaumt, damit die Prozessparteien auf das Vorbringen des Prozessgegners schriftlich durch eine weitere Erwiderung Stellung nehmen sowie schriftliches Beweismaterial vorbringen können. Die 100tägige Frist wird um 30 Tage verlängert, wenn der Beklagte oder nur einer der Beklagten seinen Sitz im Ausland hat oder keinen bekannten Wohnsitz hat. Nach Ablauf auch dieser Frist ist die Gerichtsakte vollständig und wird geschlossen. Innerhalb von weiteren 15 Tagen wird der Richter oder die Kammer bestimmt, welche den Fall entscheiden wird. Zugleich wird auch der Verhandlungstermin bestimmt, welcher innerhalb der 30 weiteren Tagen anberaumt werden soll. Das bedeutet, dass spätestens 6 Monaten nach Einreichung der Klageschrift die Sache schon verhandelt sein wird. Das ist in der Tat schwierig, deswegen sieht das Gesetz vor, dass, wenn die Verhandlungstermin nicht innerhalb der 30tägigen Frist bestimmt werden kann, dann auf jedem Fall beim frühmöglichsten Termin.

Bei der Verhandlung werden keine Zeugen geladen. Hält das Gericht nach Würdigung der Beweislage sowie nach Schätzung des gesamten Falles die Vernehmung von Zeugen für nötig, so wird mit Beschluss des Richters die Wiederholung der Verhandlung in die Wege geleitet. Neuer Termin wird mindestens 15 Tagen nach Erlas des Beschlusses bestimmt.

Die Eintragung dieser Anordnung auf dem dazu bestimmten Buch des Gerichts gilt zugleich als Ladung der Parteien zum Termin. Es wird auch die Möglichkeit vorgesehen, dieses Buch im EDV Form aufzuhalten und die Parteien und ihre Vertreter per e-mail zu laden. Die wiederholte Verhandlung hat praktisch nur die Zeugenvernhemung zum Gegenstand. Die Parteien bekommen eine weitere Frist vom 8 Tagen um einen letzten Schriftsatz einzureichen, welcher wiederun inhaltlich sich auf die Kommentierung der Zeugenaussagen konzentrieren soll.

 

Besondere Verfahrensarten

Der Gesetzgeber hat bei der letzteren Novellierung keine Änderungen für die besonderen Verfahrensarten vorgesehen

Bei Einreichung der Klageschrift wird gleich auch der Verhandlungstermin anberaumt.

Die Klageschrift ist auf Veranlassung und Kosten des Klägers dem/den Beklagten zuzustellen, und zwar spätestens 30 Tage vor der Gerichtsverhandlung oder, wenn der/die Beklagte/n keinen Wohnsitz in Griechenland haben, spätestens 60 Tage vor der Gerichtsverhandlung.

Die Parteien haben ohne richterliche Aufforderung bis zur öffentlichen Verhandlung ihre Schriftsätze (sogenannte Protassis = Vorschläge) dem Gericht einzureichen. Zusammen mit den Schriftsätzen werden auch sämtliche schriftliche Beweismittel vorgelegt, auf welche die Parteien sich berufen. Genauso wie bei den schriftlichen Beweismitteln sind auch sonstige Beweismittel (z.B. Zeugen) ohne Beweisbeschluss oder sonstige Aufforderung seitens des Richters in die mündliche Verhandlung mitzubringen.

Urteilsverkündung

 

Ein Termin zur Verkündung der Entscheidung wird nicht festgesetzt. Das Urteil ist ebenso wie die Klageschrift auf Veranlassung und Kosten der Parteien dem Gegner zuzustellen. Jede Partei kann je nachdem, ob sie die Fortsetzung bzw. die Beendigung des Prozesses wünscht, die Zustellung des Urteils durch den Gerichtsvollzieher vornehmen, z.B. der obsiegende Kläger um die Berufungsfrist in Gang zu setzen und anschließend mit dem rechtskräftigen Urteil die Vollstreckung zu betreiben oder der obsiegende Beklagte um durch die Rechtskraft des Urteils Rechtsklarheit zu schaffen.

Die Zustellung des Urteils durch eine der Prozessparteien an die andere setzt die dreißigtägige (bei Auslandsbewohnern sechzigtägige) Berufungsfrist in Gang. Übernimmt keine der Prozessparteien die Zustellung des Urteils, wird es nach Ablauf von zwei Jahren nach Veröffentlichung rechtskräftig.

 

Freiwillige Gerichtsbarkeit

 

Die Regelungen über die Freiwillige Gerichtsbarkeit wurden im sechsten Buch der Zivilprozessordnung aufgenommen. Wichtigste Verfahrensarten ist die Adoption, welche als einzige der Kammer des Landgerichts unterworfen wird, die Anerkennung von ausländischen Urteilen und die Vollstreckbarerklärung von ausländischen Vollstreckungstiteln (auch nach der Verordnung 44/2002 der Europäischen Union), die Errichtung von Vereinen, die Eröffnung von Testamenten und die Bestimmung des Nachlaßverwalters.

 

Kosten

 

Die Kosten eines Zivilprozesses in Griechenland kann man im Vergleich zu Deutschland im Allgemeinen als gering bezeichnen. Bei geldwerten Ansprüchen berechnet die griechische Justiz ungefähr 1,01% des Streitwertes als Gerichtskosten. Das ist zwar niedrig bei kleineren Streitwerten, bei großen Summen ist es allerdings nicht unbeträchtlich. Wie aber schon erwähnt wurde, müssen die Parteien die Zustellungen auf eigene Kosten vornehmen. Das kann z. B. bei mehreren Beklagten teuer werden.

Schriftsätze, die an die Gerichte oder die Behörden gerichtet sind, sind meistens mit geringen Stempelgebühren belastet.

Der griechische Staat erhebt aber eine weit höhere Gebühr bei der Vollstreckung. Er verlangt bei der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils 3% des vom Urteil zugesprochenen Betrags (sogenannte Ausfertigungsgebühr). Diese Summe, die vom Vollstreckungsgläubiger im voraus zu entrichten ist, kann dann im Rahmen der Vollstreckungskosten geltend gemacht werden, so z.B. aus dem Versteigerungserlös im Falle einer erfolgreichen Versteigerung.

Was die Anwaltskosten betrifft, kann man das Anwaltshonorar aushandeln. Auch Erfolgshonorare sind zulässig.